Die Aktienrallye war bisher nicht zu stoppen. Beherrscht werden die Weltbörsen zurzeit von einem Nachrichtenmix aus Konjunkturdaten und Inflationsängsten. Die Aktienmärkte notieren auf Jahreshöchstständen. Wo hingegen die Rentenmärkte unter Zinsängsten und abschmelzenden Renditen leiden.  Was bringt das uns Börsenjahr?

Über zwei Jahre nach der Pleite der Lehman Brothers scheinen sich die Märkte von dem Schock der Finanzkrise erholt zu haben. Der Dow Jones liegt bei über 12000 Punkten. Der breiter gefasste amerikanische S&P 500 Index rangiert derzeit auf einem zweieinhalb Jahreshoch bei 1308 Punkte. Der Dax notiert über 7000 Punkte und hat sich unter den internationalen Börsen im Jahre 2010 besonders hervorgetan. Er gilt seit Monaten als sicherer Hafen für internationale Aktienanleger. Das kommt daher, dass die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr soviel Geld verdienten haben  wie lange nicht mehr. Die Gründe dafür liegen der massiven Kosteneinsparungen der deutschen Wirtschaft innerhalb der Krise und im erweiterten Kurzarbeitergeld welcher ein Meilenstein deutscher Wirtschaftspolitik war. Vom dynamischen Aufschwung der Schwellenländer innerhalb der letzten beiden Jahre konnte Deutschland - mit seiner starken Exportorientierung – besonders profitieren. Ein besonders starkes Wirtschaftswachstum von 3,5% war die Folge. Das unterstütze die Aktienkurse.

Doch nicht nur in Deutschland und den USA laufen die Aktienmärkte sehr gut. In vielen Ländern der Welt haben die Börsen Jahreshöchststände erklommen und nähern sich wieder den alten Rekordständen von 2007. Hauptantreiber dieser Hausse ist die hohe Liquidität in den Finanzmärkten. Niedrige Zinsen sollen die Volkswirtschaften der westlichen Industrienationen stabilisieren und dopen die Kapitalmärkte nebenbei. Aus Rücksicht auf die Konjunktur, die Staatsverschuldung und das Bankensystem werden die Zinsen im Westen vorerst weiter niedrig bleiben. Das sollte folglich den Aktienmärkten weiter Rückenwind geben. Die Einschätzung hat Bestand, solange alles so bleibt wie es ist. Doch existieren Gefahren welche die makroökonomischen Rahmenbedingungen ändern könnten und den Aufschwung schon bedrohen.

 

Inflation- und Zinsängste

Inflation droht derzeit sowohl in den expandierenden Volkswirtschaften der Schwellenländer als auch in Europa. In China, Indien und Brasilien entsteht die Inflationsgefahr zum einen durch das starke Wirtschaftswachstum der letzten Jahre. Viele Bürger sind wohlhabender geworden und konsumieren und investieren jetzt deutlich mehr als in den vergangenen Jahrzehnten. Durch überschüssiges Kapital entstehen Spekulationsblasen wie zurzeit im chinesischen Immobilienmarkt. Zum andern leiden besonders die Schwellenländer unter der Geld- und Zinspolitik der USA. Durch die Dollarverwässerung strömt vermehrt Fremdkapital in die Schwellenländer welches den Preisanstieg dort noch zusätzlich anheizt. Steigende Rohstoffpreise sind derzeit ein weiterer Grund für inflationäre Tendenzen. Ein weiterer Anstieg des Zinsniveaus ist dort deshalb vorprogrammiert. Genauso wie in den Schwellenländern sorgt der Preisanstieg von Lebensmittel und Energie auch in Europa für steigende Preise. Doch in der Eurozone entwickelten sich die Volkswirtschaften sehr unterschiedlich, so das die EZB sich im Zwiespalt befindet und die Zinsen nicht einfach anheben kann. Für Deutschland wäre eine Zinserhöhung vertretbar aufgrund der stabilen Wirtschaftsentwicklung, aber die verschuldeten Südeuropäer würden unter steigenden Zinsen zerbrechen.  Dennoch gehe ich von einer moderaten Zinserhöhung im zweiten Halbjahr 2011 aus.

 

Schuldenkrise

Amerika macht derzeit doppelt so viele neue Schulden wie Europa. Und das obwohl die USA bereits mit über 14.1 Billionen USD in der Kreide stehen. Das sind knapp 95% des Bruttoinlandsprodukts. Und es ist noch kein Ende der Schuldenmacherei in Sicht. Im Falle von steigenden Zinsen müsste Amerika nochmals kräftig in die Tasche greifen. Die Kapitalmärkte verlieren langsam das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Amerikaner. Die Rating Agentur Moody´s ermahnte kürzlich die US Regierung zur Umkehr in der Finanzpolitik sonst könnte die Bonitätsherabstufung der USA drohen. Das wiederum würde Amerikas Kapitalaufnahme zusätzlich verteuern und die prekäre Lage zuspitzen in der sich Amerika bereits befindet.  Doch nicht nur die USA befinden sich im Dilemma. Japan hat sogar eine Staatsverschuldung von knapp 200% zum BIP. Und in Europa leiden besonders die Südeuropäer unter zu hohen Staatsschulden.

Wenn Staaten in Zahlungsschwierigkeiten geraten, dann wirkt sich das wie ein Flächenbrand aus und überträgt die Krise in andere Länder. Denn durch die Globalisierung sind die Maschen der wirtschaftlichen Vernetzung deutlich enger geworden. Staatliche und unternehmerische Abhängigkeiten sind entstanden, die sich leicht wieder zum Großbrand entwickeln könnten.

 

Konjunkturängste

Die Weltwirtschaft läuft gut. Für 2011 erwartet die Weltbank ein Wachstum von 4,4%. Die deutsche Wirtschaft hofft auf ein Wachstum von 2,5%. Sollte es so kommen, so können wir alle hochzufrieden

sein. Doch die Gefahren lauern im Dunkeln. Eine Zinstrendwende durch Preisdruck verursacht könnte die zierliche Pflanze der wirtschaftlichen Erholung in den westlichen Industrienationen schnell zerstören. Auch von den Schwellenländern droht Ungemach durch Preisblasen und Inflation. China hat bereits mehrfach mit Zinsanhebungen auf den steigenden Preisdruck reagiert. Weitere Schritte der Notenbanken sind zu erwarten. Das könnte eines Tages auch dort die Wirtschaft empfindlich treffen und den Aufschwung bremsen, wenn nicht sogar gänzlich gefährden.

 

Ausblick

Die hohe Liquidität in den Finanzmärkten sorgt derzeit für steigende Aktienkurse. Stabile Unternehmenserträge flankieren den Börsenerfolg. 2011 scheint ein sehr gutes Börsenjahr zu werden. Genügend Liquidität ist weiterhin vorhanden und makro- und mikroökonomische Prognosen lassen uns scheinbar beruhigt in die nahe Zukunft schauen. Doch eine langfristige Prognose zu wagen wird schon schwieriger. Ein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise gepaart mit expansiver Geldmenge lässt eine Zinstrendwende befürchten. Das nährt gewisse Zweifel an einer langfristigen Aufwärtsbewegung der Aktienmärkte. Eine Zinstrendwende in Europa kommt langsam in Sicht. In den Schwellenländern ist diese bereits vollzogen. Die zu erwartende Inflation wird zu steigende Zinsen führen, die die staatliche Schuldenspirale schneller drehen lässt. Die Weltwirtschaft würde sich weiter abschwächen. Und Deutschlands Abhängigkeit von zyklischen Investitionsgütern würde sich im Abschwung mehr als bemerkbar machen.

Für Anleger bleibt der Tipp: Wenn im Winter die Strassen glatt sind und der Nebel dicht, dann fährt man besser langsam und auf Sicht. Wenn das Wetter klar ist, kann man Vollgas geben. Noch ist die Sicht klar. Die Ampel steht auf grün.

 

Oliver Roth

Kapitalmarktstratege

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